Einleitend stellte Privatdozent Dr. Peter Achenbach das Autoantikörper-Screening des Instituts für Diabetesforschung, Helmholtz Zentrum München vor. Mit dem Bluttest kann die Erkrankungswahrscheinlichkeit von Diabetes mellitus Typ 1 mit einer Bandbreite von weniger als 10 Prozent innerhalb von 10 Jahren bis zu über 90 Prozent innerhalb von 5 Jahren vorhergesagt und das Stadium des Prä-Typ 1 Diabetes sicher diagnostiziert werden.
Für diejenigen, bei denen die Autoimmunerkrankung bereits ausgebrochen ist, suchen Forscher weltweit nach einer Möglichkeit, die regulatorischen T-Zellen des Immunsystems neu zu generieren. Eine Möglichkeit ist die Stimulation des Immunsystems mit dem Antigen Insulin, das in der Regel die Autoimmunreaktion auslöst. Über die Schleimhäute aufgenommen, trainiert Insulin jedoch das Immunsystem, ohne den Blutzuckerspiegel zu beeinflussen. Diese so genannte „toleranzinduzierende Impfung“, die als Prävention für Personen mit erhöhtem Typ 1 Diabetes Risiko gedacht ist, erläuterte Dr. Carolin Daniel vom Institut für Diabetesforschung. Sie forscht an einer Variante des Insulins, mit der regulatorische T-Zellen noch effizienter – das heißt zahlreicher – induziert werden können als beim natürlichen Insulin-Peptid.
Diabetiker haben ein höheres Risiko für manche Begleiterkrankungen
Anschließend standen die Begleiterkrankungen im Fokus der Redner. Prof. Klemens Scheidhauer vom Klinikum rechts der Isar referierte über Schilddrüsenerkrankungen. So litten 13 bis 20 Prozent der Diabetiker an Hashimoto Thyreoiditis (gegenüber 3 bis 6 Prozent der Normalbevölkerung) und 6 bis 10 Prozent der Personen mit Diabetes an Morbus Basedow mit der Folge einer Schilddrüsenüberfunktion (gegenüber 0,1 bis 2 Prozent der Normalbevölkerung). Während bei Hashimoto für Diabetiker die Gefahr einer Hypoglykämie beziehungsweise eines Unterzuckers bestehe, weil unter anderem die Leber vermindert Glukose produziere, berge Morbus Basedow das Risiko einer Hyperglykämie beziehungsweise eines erhöhten Blutzuckerspiegels. Das bei der Behandlung von Typ 2 Diabetes häufig verschriebene Metformin beeinflusse wiederum die Schilddrüsenfunktion. Personen mit Diabetes mellitus sollten ihre Schilddrüse wegen dieser Wechselwirkungen häufiger als für die Normalbevölkerung empfohlen kontrollieren lassen, so das Fazit von Prof. Scheidhauer.
Menschen mit Typ 1 Diabetes haben laut Prof. Sibylle Koletzko vom Dr. von Haunerschen Kinderspital in München oft auch eine genetische Prädisposition für Zöliakie (Glutenunverträglichkeit). So erkrankt 5 bis 7 Prozent der Typ 1 Diabetiker zusätzlich an Zöliakie, so dass nach Meinung von Koletzko besonders Kinder mit Typ 1 Diabetes regelmäßig auf Antikörper Transglutaminase-AK untersucht werden sollten. Ist die Zöliakie durch Nachweis einer Darmzottenschädigung nachgewiesen, bessert eine glutenfreie Diät Beschwerden und verhindert Folgeerkrankungen, wie zum Beispiel eine Osteoporose oder eine eingeschränkte Fruchtbarkeit.
Schlafmangel beeinflusst Insulinresistenz und Insulinsensitivität
Privatdozent Dr. Martin Füchtenbusch von der Forschergruppe Diabetes e. V. am Helmholtz Zentrum wies unter anderem auf den Zusammenhang von Schlafmangel und Diabetes hin. Bereits vier Nächte hintereinander mit einem verkürzten Schlaf von 4 ½ Stunden statt einem Durchschnittsschlaf von 7 Stunden erhöhten nachweislich die Insulinresistenz im Fettgewebe, die charakteristisch für Typ 2 Diabetes sei.
Mit Typ 2 Diabetes sind häufig vaskuläre Erkrankungen vergesellschaftet: Zweidrittel dieser Risikogruppe versterben an Erkrankungen des Gefäßsystems, wie Prof. Oliver Schnell von der Forschergruppe Diabetes e. V. ausführte. So seien das Risiko für Herzinsuffizienz, Vorhofflimmern und Schlaganfall erhöht. Daher müsse die Behandlung von Diabetes und vaskulären Erkrankungen Hand in Hand gehen.
Zu den mit einem erhöhten Risiko für Typ 2 Diabetes einhergehenden Konstellationen gehört auch das Polyzystische Ovar-Syndrom (PCO-Syndrom). Frauen mit polyzystischen Ovarien haben ein Diabetesrisiko von 7,5 Prozent. 10 bis 30 Prozent entwickeln während der Schwangerschaft einen Gestationsdiabetes. Da das orale Antidiabetikum Metformin nicht nur auf den Blutzucker, sondern in Kombination mit Clomiphen auch auf den Eisprung Einfluss hat, wird es bei der Kinderwunschbehandlung als Folge eines PCO-Syndroms häufig verschrieben. Nach Aussage von Privatdozentin Dr. Vanadin Seifert-Klauss von der Frauenklinik im Klinikum rechts der Isar sei jedoch noch nicht abschließend geklärt, ob und wie lange Metformin nach Induktion einer Schwangerschaft gegeben werden sollte.
Glukosurie als neues Therapiekonzept
Prof. Harald Rupprecht vom Klinikum Bayreuth stellte neue Wirkstoffe zur Therapie bei Typ 2 Diabetes vor. Als neues Therapiekonzept gelte die Induktion einer Glukosurie, das heißt die erhöhte Ausscheidung von Glukose über die Niere mittels SGLT-2-Hemmung (Sodium Glukose Transporter-2) durch Wirkstoffe wie Dapagliflozin und Canagliflozin.
Veranstalter der von Frau Prof. Anette-Gabriele Ziegler und PD Dr. Michael Hummel geleiteten ärztlichen Fortbildung war das Helmholtz Zentrum München durch das Institut für Diabetesforschung und die Forschergruppe Diabetes e. V. sowie die Technische Universität München durch die Forschergruppe Diabetes am Klinikum rechts der Isar und den Lehrstuhl für Diabetes und Gestationsdiabetes.
Das Institut für Diabetesforschung (IDF) befasst sich mit der Pathogenese und Prävention von Typ 1 Diabetes und Gestationsdiabetes. Dazu untersucht es die molekularen Mechanismen der Krankheitsentstehungen, insbesondere das Zusammenspiel von Umwelt, Genen und Immunsystem. Ziel ist die Identifizierung von Markern zur frühen Diagnose und die Entwicklung von Therapien zur Prävention und Heilung von Diabetes. |