Dieser Beitrag geht nicht auf die Vor- oder Nachteile ein, die eine offiziell festgestellte Behinderung mit sich bringt, sondern soll darüber aufklären, wie das Schwerbehindertengesetz zu Typ-I-diabetischen Kindern und Jugendlichen aussieht.
1. Schwerbehindert bedeutet, es muss mind. ein Grad der Behinderung (GdB) von 50 % festgestellt sein. 2. Das Schwerbehindertengesetz definiert, dass derjenige behindert ist, der länger als ein halbes Jahr (6 Monate) an einer Krankheit leidet. Zu Punkt 1 und 2: Beim Diabetes Typ-I ist der Grad der Behinderung abhängig von der Therapieform UND von der Einstellbarkeit. Bei Kindern und Jugendlichen (bis zum 16. Lebensjahr) mit Diabetes mellitus wird i.d.R. ein GdB von 50 % seitens des Versorgungsamts anerkannt, unabhängig dieser Kriterien (Warum? Weil Punkt 3 "Hilfsbedürftigkeit" gegeben ist). Zur Krankheitsdauer: Bisher wäre mir nichts bekannt, was die Lebenslänglichkeit von Diabetes mellitus in der Praxis in Frage stellt. 3. Das Merkzeichen "H" (wichtig!) für Hilfsbedürftigkeit wird dann zusätzlich festgestellt, wenn die mind. 50 % schwerbehinderte Person "für häufig und regelmässig wiederkehrende Verrichtungen ...zur Sicherung ihrer persönlichen Existenz im Ablauf eines Tages fremder Hilfe dauernd bedarf". Dieses Kriterium ist auch dann erfüllt, wenn sich die Hilfestellung in Form der Überwachung und/oder Anleitung zur Verrichtung dieser Dinge darstellt. Aus Punkt 3 ergibt sich: Aufgrund der täglichen (häufigen) BZ-Messungen* und Injektionen* sowie Überwachung der Therapie und Einstellung ist eine Hilfsbedürftigkeit ohne Frage bis zur Vollendung des 16. - in Ausnahmefällen bis zum 18. - Lebensjahr gegeben und anzunehmen! *bei Kleinkindern erfolgt das Messen und Spritzen (Insulin-Injektionen) dauernd durch die Eltern - auch bei Jugendlichen sind die Eltern noch nachts gefragt --> BZ-Messen und Reaktion z.B. bei Hypos) ----------------------------------------- Die oben beschriebenen Dinge sind manchen Sachbearbeitern auf den Versorgungsämtern leider nicht bekannt. Anzumerken wäre unser eigener Fall (im Jahre 2005). Damals wurde die Schwerbehinderteneigenschaft (GdB 50 %) mit den zynischen Worten "die Auswirkung dieser Funktionsbeeinträchtigungen seien mit dem festgestellten Grad der Behinderung von 40 % angemessen bewertet" abgelehnt. Ich veröffentliche nachstehend mein damaliges Antwortschreiben (als Vorlage für andere, die´s brauchen können) an die Abteilung "Versorgungsangelegenheiten" des Landratsamts, welches seinerzeit zur umgehenden Genehmigung des Schwerbehindertenausweises mit 50 % Grad der Behinderung und Merkzeichen "H" führte: ----------------------------------------- Aktenzeichen..... Einspruch zur Ablehnung der Schwerbehinderteneigenschaft Sehr geehrter Herr W..., mit Befremden und Verwunderung haben wir Ihren ablehnenden Bescheid zur Kenntnis genommen und widersprechen diesem hiermit ausdrücklich. So wurde uns seinerzeit vom Klinikum ... versichert, dass es sich bei der Beantragung eines Schwerbehindertenausweises mit Merkzeichen "H" zur Diabetes mellitus (Typ I) Erkrankung unserer 8-jährigen Tochter ... um eine reine Formsache handle. In vergleichbaren Fällen wurde stets eine mindestens 50 %ige Schwerbehinderteneigenschaft mit Merkzeichen "H" anerkannt und ein entsprechender Ausweis ausgestellt. Zumal laut Ihrem beigefügten Merkblatt zu den Voraussetzungen für das Merkzeichen "H" alle Voraussetzungen erfüllt werden: Unsere Tochter muss 4 x mal am Tag mit Insulin gespritzt werden. Die Dosis der drei Tagespritzen (Bolusgabe) hängt von dem zuvor gemessenen Blutzuckerspiegel, dem richtig abgelesenen Wert aus der ärztlichen Verordnungstabelle (hier wird nicht nur nach Wertbereichen, sondern auch noch zwischen den unterschiedlichen Tageszeiten unterschieden) sowie von den zu verzehrenden Broteinheiten (Kohlenhydrate müssen abgewogen werden) ab. Die letzte Insulinspritze (Basalgabe) wird um 22 Uhr verabreicht. Darüber hinaus muss bis zu 8 mal täglich der Blutzuckerspiegel gemessen werden (auch in der Nacht [00:00 und 03:00 Uhr], wenn das Kind schläft). Wegen der Gefahr der Unterzuckerung (Hypoglykämie) oder heftigen Überzuckerung (Hyperglykämie) - die beide fatale Folgen (bis zum Tod) nach sich ziehen können, sowie der Überwachung der Therapie und Einstellung, ist darüber hinaus eine ständige Bereitschaft zur Hilfeleistung erforderlich. Sollten Sie zum Thema "Diabetes Typ I" medizinische Fragen haben - und das erscheint uns offensichtlich (!) - wenden Sie sich bitte an unseren behandelnden Arzt in der, auf Diabetes mellitus spezialisierten, Kinderklinik ...: [Adresse...] Auch laden wir Sie gerne ein, um einen Tag unseres Typ-I-Diabetiker-Kindes zu gestalten. Dafür müssen Sie allerdings zuvor (wie auch die Eltern) ca. 20 Stunden in der Klinik von Fachpersonal geschult werden. So könnten Sie sich ein Bild der Beeinträchtigungen, bitteren Erfahrungen und schlicht des täglichen Mehraufwandes machen. Sicherlich würden Sie anschliessend nicht mehr auf die Idee kommen, zynisch zu schreiben, die Auswirkung dieser Funktionsbeeinträchtigungen seien mit dem festgestellten Grad der Behinderung von 40 % angemessen bewertet. Wir beantragen deshalb nochmals einen Schwerbehindertenausweis mit mind. 50 %igem Grad der Behinderung sowie dem Merkzeichen "H" für unsere Tochter ... rückwirkend zum..... Sollten Sie erneut ablehnend reagieren, werden wir diesen Vorgang unserem Rechtsanwalt übergeben und wenn nötig unseren Anspruch auch gerichtlich durchsetzen. Darüber hinaus werden wir den DDB (Deutscher Diabtikerbund) von diesem Vorgang in Kenntnis setzen. Abschliessend sei gesagt, dass wir es als sehr bedauerlich empfinden - zur lebenslänglichen Erkrankung unserer Tochter auch noch gezwungen zu sein - mit Ihnen (in Vertretung des Staates bzw. Versorgungsamts) streiten zu müssen. [Unterschriften...] ----------------------------------------- Bei Verwendung obigen Schreibens oder Teilen davon, sollte natürlich der Name des eigenen Kindes eingesetzt werden.
Anmerkung: Der Ausweis (GdB 50% mit Merkzeichen "H") wurde daraufhin auf ein Jahr befristet (offensichtlich erwartete man eine Spontanheilung) ausgestellt und danach (auf erneuten Antrag) ohne Probleme bis zum 16. Lebensjahr verlängert.
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